Photo Schniewinds Julius Schniewind, pietistisch geprägter und musikalisch begabter Großkaufmannssohn, wurde am 28.5.1883 in Wuppertal-Elberfeld geboren und verstarb am 7.9.1948 in Halle (Saale). Nach Besuch des Gymnasiums in Elberfeld studierte Schniewind Theologie in Bonn, Halle und Marburg. Seine Lehrer waren Paul Feine, Karl Heim, Friedrich Loofs und Martin Kähler. 1910 erwirbt er in Halle den Licenteatengrad und lehrt dort bis 1914 als Privatdozent für Neues Testament. Während des ersten Weltkrieges ist Schniewind Feldprediger. Er kehrt 1921 als außerordentlicher Professor an die Hallenser theologische Fakultät zurück, wo er 1925 zum D. theol. promoviert wird. 1927 wechselt er als Ordinarius nach Greifswald, 1929 wird er an die Universität Königsberg berufen, wo er im regen Austausch mit Günther Bornkamm, Hans Joachim Iwand und Martin Noth steht. 1935 wird Schniewind nach Kiel zwangsversetzt und schon 1936 nach Halle berufen, wo er u.a. zusammen mit Ernst Wolf die Studentengemeinde leitet. Im März 1937 wird Schniewind abgesetzt, 1938 wird gegen ihn ein Dienststrafverfahren wegen seines Eintretens für die Bekennende Kirche eingeleitet. 1945 wird Schniewind wieder in die Professur eingesetzt; als Dozent und Probst des Sprengels Halle-Merseburg wirkt er entscheidend am Wiederaufleben des wissenschaftlichen und kirchlichen Lebens in Halle und der Kirchenprovinz Sachsen mit.
Schniewind, bedeutendster Schüler Martin Kählers, beeinflußt von Hermann Cremer, Adolf Schlatter und Sören Kierkegaard, verstand biblische Theologie als Wort Gottes, die tief im Alten Testament verwurzelt ist. Damit grenzte er sich deutlich von liberal-theologischen Positionen von Ferdinand Christian Baur bis Adolf von Harnack ab.
Schniewinds Programm der "geistlichen Erneuerung" verbindet glücklich die vielfach problematische Relation von frommer Schriftgläubigkeit und historisch-kritischer Bibelexe-gese. Die Anerkennung religions- und formgeschichtlicher Resultate hinderten Schniewind nicht, auf Anspruch und Anrede der Christusworte zu hören sowie die Zeichen der Zeit paulinisch als Zorn Gottes zu begreifen. Auf Rudolf Bultmanns Entmythologisierungs-programm und dessen existentialistischer Interpretation reagierte er in scharfer Ablehnung, das das Wort vom Kreuz dadurch nivelliert würde. Alternativ zu Bultmanns Mythologiebegriff schlug er die Deutung "mythologisch" als "Vorstellungsweise" vor, "in der das Unanschauliche anschaulich erscheint" (Kergyma und Mythos 1 [1948], 87).
Schniewinds Hauptinteresse galt der neutastamentlichen Exegese und der seelsorgerlichen Praxis. Diesen Dienst verstand er als mutua consolatio fratrum. Seine Kommentare zu Markus und Matthäus, die in der von ihm mitbegründeten Reihe "Neues Testament Deutsch" erschienen, sind heute noch lesenswert.
Schniewinds Nachlaß spiegelt seine weit gefächerte Tätigkeit als Neutestamentler und Seelsorger wider.
In den Zugangsjournalen der ULB Halle findet sich kein Hinweis, wann und durch wen Schniewinds Nachlaß in die Bibliothek gelangte. Er erhielt die Signatur Yi 25. Diese weist ihn auch in dem Verzeichnis "Gelehrten- und Schriftstellernachlässe in den Bibliotheken der Deutschen Demokratischen Republik", Teil I, Berlin 1959, auf S. 79, Nr. 560, nach.

Zeitlicher Umfang: 1905-1948
Umfang des Nachlasses: 18 Archivkartons


Inhalt: Henning
HTML: Wippermann / 04.08.2004