Ludolf Parisius, geboren am 15.10.1827 in Gardelegen, gestorben am 11.3.1900 in Berlin, Sohn eines Geistlichen, studierte zunächst Mathematik, dann Rechtswissenschaften in Halle und durchlief alle Phasen bis zum Kreisrichter in seiner Vaterstadt (1858). Als Fortschrittsmann, dem preußischen Landtag von 1861-1866 angehörend, wurde er im Jahre 1864 wegen Wahlagitation durch Disziplinarurteil seines Amtes entsetzt. Die Entfernung aus seinem Amt veranlaßte ihn, seinen Wohnsitz nach Berlin zu verlegen, um sich nur noch publizistisch zu betätigen. Er redigierte lange Zeit mit Schultze-Delitzsch die "Blätter für Genossenschaftswesen" und gab von 1868-1872 den "Volksfreund" und ab 1877 (mit Eugen Richter) die "Parlamentarische Korrespondenz aus der Fortschrittspartei" heraus. Von 1874-1877 und von 1881-1887 war er Mitglied des Deutschen Reichstages und gehörte ständig zum geschäftsführenden Ausschuß der Fortschrittspartei.

Literarisch machte er sich, abgesehen von juristischen Arbeiten (v.a. Kommentare zu Gesetzen und zum Genossenschaftswesen) mit den politischen Flugschriften "Ein preußischer Minister, der seinen Beruf verfehlt hat" und "Exzellenz, warum so mißmutig?" (erschienen in der Amtszeit des damaligen Kultusministers Heinrich von Mühler,1862-1872) bekannt. Erwähnenswert sind außerdem noch "Pflicht und Schuldigkeit" (Roman, 1871), "Im Wald und auf der Heide" (Erzählungen, 1876) und "Bilder aus der Altmark" (1882-1883).

So fruchtbar sich Parisius auf literarischem Gebiet zeigt, so bewährte er sich auch als Sammler und Bewahrer des Volksgutes seiner altmärkischen Heimat. Unter dem Titel "Deutsche Volkslieder mit ihren Singweisen in der Altmark und dem Magdeburgischen, aus dem Volksmunde gesammelt" (Magdeburg 1879) wurde eine Auswahl dieser Sammlung veröffentlicht. In der Einleitung hierzu betont er: "Estedt, Cassieck, Mieste, Lüfflingen sind Hopfendörfer. Die Frau Ackermann Jennrich in Estedt nannte ich dort die liederkundigste aller Frauen, die mir vorgekommen sei. Ich bin der Überzeugung, daß sie damals (1867) noch weit über 100 Singweisen und Texte von Volksliedern kannte, dazu eine große Menge anderer weltlicher Lieder usw."

Mit seinem Vetter Max Parisius, Pfarrer in Oberheldrungen, plante er die reichhaltige Sammlung zur Drucklegung zu bearbeiten. Dazu kam es nicht mehr. So gelangte das gemeinsam erstellte Manuskript zusammen mit dem gesamten volkskundlichem Nachlaß Ludolf Parisius' in den Besitz von Max Parisius.

Der Nachlaß wurde am 15. Mai 1921 von Geheimrat Prof. Karl Voretzsch, Halle, der Universitäts- und Landesbibliothek Halle im Auftrage der Deutschen Kommission der Preußischen Akademie der Wissenschaften, die Eigentümerin bleibt, zur Verwahrung übergeben (Aktenvermerk 329/21).

Für den Nachlaß wurde die Signatur Yi 5a vergeben, sie weist ihn auch in dem Verzeichnis "Gelehrten- und Schriftstellernachlässe in Bibliotheken der Deutschen Demokratischen Republik", Teil I, Berlin 1959, auf S. 68, Nr. 469, nach.

Der Nachlaß umfaßt 10 Konvolute und ein Registerheft in zwei Kästen. Die vorgefundene Ordnung wurde beibehalten, nur wenige ungeordnet vorgefundene Seiten wurden an den entsprechenden Stellen eingeordnet.

Im Nachlaß von Parisius befinden sich auch die volkskundlichen Sammlungen von Johann Heinrich Friedrich Krüger, Pastor in Lagendorf, Altmark (1831-1865). Diese Sammlungen wurden im Nachlaß Parisius belassen und erhielten die Signatur Yi 5a (15).
Zeitlicher Umfamg: 1857ff.
Umfang: 2 Kästen 4°


Inhalt: Henning
HTML: Wippermann / 20.09.2000